Nova 1 – Akzeptanz
Wird das
NoMix-WC akzeptiert?
Eine Innovation fürs
private Badezimmer kann sich nur durchsetzen, wenn die Bevölkerung sie
akzeptiert. Novaquatis hat deswegen alle NoMix-Pilotprojekte der Schweiz
sozialwissenschaftlich begleitet. 1750 Personen wurden befragt – und diese
stehen der Urinseparierung sehr positiv gegenüber. Das NoMix-WC wird trotz
einiger Mängel gut akzeptiert, insbesondere in öffentlichen Gebäuden. Jetzt ist
die Sanitärindustrie für die Weiterentwicklung gefordert. Aber auch die heute erhältlichen
Modelle lassen sich bei sorgfältiger Begleitung einsetzen, um zu weiteren
Verbesserungen der Urinseparierung beizutragen.
Text Nova 1 (pdf, 280 KB) |
Wissenschaftlicher Hintergrund
Im Zentrum von Nova 1 steht die Einstellung der Bevölkerung zur NoMix-Technologie. Bislang entwickelten Fachleute neue Technologien der Siedlungswasserwirtschaft ohne Beteiligung der Öffentlichkeit. Die Abwassertrennung im eigenen Badezimmer betrifft aber jede einzelne Person. Novaquatis bezog deshalb sehr früh Praxisakteure und die Bevölkerung in ihre Forschung ein, um herauszufinden, wie sie diese Innovation beurteilen.
Nova 1 begleitete alle Pilotprojekte der Schweiz wissenschaftlich. Es identifizierte die Mängel der NoMix-Technologie und beschäftigte sich mit Fragen, wie: Werden die NoMix-WCs akzeptiert? Kommt das Design an? Riechen die NoMix-WCs? Passen die Leute ihr Verhalten an? Wie verbreitet man die NoMix-Technologie? Was verhilft weiteren NoMix-Pilotprojekten zum Erfolg?
Nova 1-1: Die Einstellung der Bevölkerung
(Claudia Pahl-Wostl)Eine Fokusgruppenstudie mit 44 Freiwilligen aus der Bevölkerung lieferte erste Daten zur Akzeptanz von NoMix-WCs im Haushalt [1]. Die Teilnehmenden diskutierten in moderierten Gruppen und informierten sich mit einem spielerischen Webtool über die komplexe Idee der Urinseparierung (Interaktives Lernspiel). Zudem besuchten sie ein NoMix-WC der Eawag. Die wichtigsten Erkenntnisse: 79% finden das NoMix-WC eine gute Idee. 84% würden in eine Wohnung mit NoMix-WC ziehen – wobei Kosten, Wartungs- und Putzaufwand nicht wesentlich höher sein dürfen als bei herkömmlichen Toiletten. 72% würden mit Urin gedüngte Lebensmittel kaufen, sofern Gesundheitsrisiken ausgeschlossen sind. |
Eine Tür in die Zukunft?
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Eher wenig Bedeutung messen die Teilnehmenden einer nachhaltigen Entwicklung – etwa geschlossenen Nährstoffkreisläufen – bei. Wichtiger ist ihnen, die Gesundheitsrisiken durch Mikroverunreinigungen in einem aus Urin produzierten Dünger zu kennen. Folglich ist es äusserst relevant, diese zu minimieren, damit die Bevölkerung die NoMix-Technologie akzeptiert.
Die quantitativen Umfragen in den Pilotprojekten in öffentlichen Gebäuden bestätigen viele dieser Ergebnisse. Die qualitativen Ergebnisse aus Nova 1-2 und dem Pilotprojekt in Haushalten zeigen aber, dass es in der Realität nicht unproblematisch ist, mit einem NoMix-WC im eigenen Badezimmer zu leben.
Nova 1-2: Kulturpsychologie
(Ruth Kaufmann-Hayoz, Kirsten Thiemann)
Nova 1-2 ist Teil einer Dissertation über
nachhaltiges Produktdesign [2]. Mit theoretischen Betrachtungen und einer
Fallstudie wurde die Bedeutung technischer Innovationen für das Wohlbefinden
untersucht. Die Fallstudie behandelt die historischen, kollektiv-kulturellen
Entwicklungen im Bad- und Abwasserbereich, die Rolle des Bades in der
persönlichen Kultur sowie die Einführung des NoMix-WCs in einer Gewerbeschule
und vier Privatwohnungen.
Die theoretischen Untersuchungen zeigen: Es ist schwierig, technologische Neuerungen einzuführen, die nicht in die menschliche Kultur passen. Problematisch sind dabei Willkür und Fremdbestimmung, z.B. wenn NoMix-WCs in einer Wohnung ohne ausdrückliches Einverständnis der Mieterinnen und Mieter eingebaut werden.
Nova 1-3: Akzeptanz und Verbreitung
(Judit Lienert, Tove A. Larsen)
Nova 1-3 erforschte die Verbreitung der
NoMix-Technologie und die Akzeptanz in grösseren Zielgruppen mit quantitativen
Studien. Wir führten in allen drei schweizerischen Pilotprojekten in
öffentlichen Gebäuden Befragungen durch: in einer Gewerbeschule (534 Befragte),
an der Eawag (715 Befragte) und in der Kantonsbibliothek BL (501 Befragte). Die
Resultate sind repräsentativ für die Nutzer dieser Art Gebäude (z.B.
Deutschschweizer Gewerbeschülerinnen und -schüler).
Erfreulicherweise war die Akzeptanz überall sehr hoch. 72% der Befragten an der Gewerbeschule und in der Eawag fanden die Urinseparierung eine gute Idee, und 86% würden in eine Wohnung mit NoMix-WC einziehen [3, 4]. Etwa 80% beurteilten NoMix-WCs als gleich oder besser als konventionelle WCs in Bezug auf Design, Hygiene und Geruch. Die NoMix-Technologie funktioniert nur, wenn man sie korrekt anwendet. Die meisten Befragten waren bereit, ihr Verhalten anzupassen; z.B. setzten sich 72% fürs kleine Geschäft. Diese Ergebnisse wurden in der Kantonsbibliothek BL bestätigt (noch nicht veröffentlicht).
Theoretisch objektive Faktoren (z.B.
Geruch) nimmt man in der Praxis oft subjektiv wahr. Die Akzeptanz hängt also
nicht nur von sauberen Sanitäranlagen ab, sondern auch von Information,
Gesprächen mit Bekannten und der eigenen Einstellung. Eine gute
Informationspolitik beeinflusst deshalb den Projekterfolg entscheidend. Die NoMix-Technologie ist an das gesamte Abwassersystem gebunden: von WC bis Kläranlage. Eine hohe Akzeptanz nur bei WC-Nutzern bietet noch keine Garantie, dass sich die Innovation in der Realität verbreiten wird. Kritisch ist vielmehr, die Abwasserfachleute zu gewinnen – dies ergab eine Analyse, die auf der Diffusionstheorie basiert [5]. Expertinnen und Experten aus der Siedlungswasserwirtschaft werden das neue Konzept einführen und viele der Konsequenzen tragen müssen. Die Wissenschaft ihrerseits muss ausgereifte Lösungen anbieten, welche die Fachleute davon überzeugen, mit Engagement das NoMix-Konzept in der Praxis weiter zu entwickeln. |
Und, wie war’s? Umfrage vor dem NoMix-WC – 80% finden es mindestens gleich gut wie konventionelle WCs (Foto Ruedi Keller) |
Schlussfolgerungen
Die Resultate aus Nova 1 ermöglichen eine Einschätzung, wie die schweizerische Bevölkerung auf die NoMix-Technologie reagieren könnte. Diese wird voraussichtlich breit akzeptiert, wenn sie moderne Standards der Sanitärtechnologie erfüllt, sicher und nicht zu teuer ist. Wegen der Mängel aktueller NoMix-WC-Modelle können wir eine uneingeschränkte Verbreitung noch nicht empfehlen; jetzt müssten Sanitärfirmen die WCs optimieren (Nova 2). Unsere Erfahrungen zeigen, dass auch die unausgereifte Technologie weitere Demonstrationsprojekte erlaubt, die aber sorgfältig begleitet werden müssen. Im Haushalt sind solche Projekte diffiziler als in öffentlichen Gebäuden, wo Hausdienste die Wartung sicherstellen. Als nächstes sollten Verbreitungswege für die NoMix-Technologie erforscht und Nischen gefunden werden, wo sie sich umsetzen und weiterentwickeln lässt. Die Bevölkerung ist bereit, der unkonventionellen Technologie eine Chance zu geben.
Literatur
- Pahl-Wostl, C., A. Schönborn, N. Willi, J. Muncke, T.A. Larsen (2003) Investigating consumer attitudes towards the new technology of urine separation. Water Science and Technology 48(1): 57–65.
- Thiemann, K. (2006) Neue Dinge für eine nachhaltige Entwicklung. Ansätze zu einer Kulturpsychologie nachhaltigen Produktdesigns. Inauguraldissertation der Philosophisch-humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität Bern zu Erlangung der Doktorwürde. Universität Bern, Schweiz.
- Lienert, J., K. Thiemann, R. Kaufmann-Hayoz, T.A. Larsen (2006) Young users accept NoMix toilets – a questionnaire survey on urine source separating toilets in a college in Switzerland. Water Science and Technology 54(11–12): 403–412.
- Lienert, J., T.A. Larsen (2006) Considering user attitude in early development of environmentally friendly technology: A case study of NoMix toilets. Environmental Science & Technology 40(16): 4838–4844.
- Larsen, T.A., J. Lienert (2003) Societal implications of re-engineering the toilet. Water Intelligence Online March 2003. UNIQUE ID: 200303006. www.iwaponline.com/wio/2003/03/default001.htm