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Nova 7 – Beurteilung

Nova 7 – Beurteilung

Nova 7 beurteilt, wie sich die NoMix-Technologie auf die Siedlungswasserwirtschaft auswirkt. Im Vordergrund stehen die Aspekte Gewässerschutz und Nährstoffrecycling. Grundsätzlich wird das neue Konzept positiv eingeschätzt – sowohl in globaler als auch europäischer Hinsicht. Die NoMix-Technologie erhöht die Energieeffizienz des Gesamtsystems gegenüber dem herkömmlichen Verfahren. Zudem hat sie das Potenzial, dereinst wirtschaftlich konkurrenzfähig zu sein.

Text Nova 7 (pdf, 406 KB)


Wissenschaftlicher Hintergrund

Im Zentrum von Nova 7 steht die Beurteilung der Vor- und Nachteile der NoMix-Technologie. Bewertungen von Technologien sind grundsätzlich immer schwierig – ganz besonders, wenn diese noch gar nicht existieren. Wie wollen wir zum Beispiel die Gesamtkosten oder den Energieverbrauch erheben, wenn erst Prototypen im Labor stehen? Und wie können wir alle unterschiedlichen Aspekte gebührend berücksichtigen? Nova 7-1 fasst die Hauptresultate von Novaquatis zusammen, die während der gesamten Projektdauer erarbeitet wurden. Nova 7-2 erprobt einen methodischen Ansatz, der in einem konkreten Szenario verschiedene NoMix-Alternativen mit einer konventionellen Lösung vergleicht. Die Varianten basieren auf den Präferenzen realer Akteure.

Nova 7-1: Beurteilung der NoMix-Technologie

(Tove A. Larsen, Max Maurer, Kai Udert, Judit Lienert)

Die NoMix-Technologie erlaubt es, Nährstoffe mit einem relativ kleinen Eingriff ins Abwassersystem umfassend zu eliminieren oder rezyklieren [1]. Ob – und in welcher Form – sich die Technologie lohnt, hängt aber stark von der bestehenden Infrastruktur und der Umweltsituation ab. Die NoMix-Technologie lohnt sich vor allem dort, wo strenge Vorschriften für das Einleiten von Nährstoffen gelten. Zudem überzeugt sie in Gegenden, wo es wirtschaftlich sinnvoll ist, Nährstoffe in die Landwirtschaft zurückzuführen.

In [2] werden viele Grundlagen bereitgestellt, um die Bedeutung der NoMix-Technologie zu ermitteln. In den globalen Kreisläufen spielen Nährstoffe aus dem menschlichen Stoffwechsel keine grosse Rolle. Den Stickstoffkreislauf dominieren die biologische und industrielle Stickstofffixierung. Nur rund 5% der globalen Produktion reaktiven Stickstoffes werden von Menschen ausgeschieden. Beim globalen Phosphorkreislauf dominiert wahrscheinlich die Landwirtschaft. Dagegen spielen bei den Gewässern Phosphor und Stickstoff aus Abwasser eine grosse Rolle. Es lohnt sich also, nach effizienten Möglichkeiten zu suchen, sie zu entfernen – vor allem in dicht besiedelten Gebieten, wo das Abwasser den grössten Teil der Nährstoffflüsse darstellt oder die herkömmliche Technologie sogar an Grenzen stösst. In der Schweiz zum Beispiel beim Greifensee, weil dort die Qualitätsziele für Phosphor nicht eingehalten werden können. Ein gutes internationales Beispiel ist die chinesische Stadt Kunming (siehe Nova 8). Global gesehen werden in Zukunft Nährstoffe aus dem Abwasser wegen des Bevölkerungswachstums eine grössere Rolle spielen. Auch in Europa ist ein Trend zu strengeren Emissionsgrenzwerten für Nährstoffe erkennbar.

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Viel Abwasser, grosse Leitungen, grosse Kläranlagen: Möglicherweise geht es auch anders (Foto Christian Abegglen)

Urinseparierung wäre auch vorteilhaft für den Gewässerschutz, weil sich das ökotoxikologische Risiko von menschlichen Medikamenten schätzungsweise halbieren liesse (siehe Nova 5). In Ländern mit chronischem Mangel an Nährstoffen in der Landwirtschaft bildet Abwasser eine lokale Ressource. Die darin enthaltenen Nährstoffe werden am besten durch Massnahmen an der Quelle wiedergewonnen.

Die NoMix-Technologie kann eine Kläranlage von einer Energieverbraucherin in eine Energieproduzentin umwandeln: Statt 11 Watt pro Person zu verbrauchen, können 2 Watt Primärenergie pro Person erzeugt werden, weil viele Prozesse energieeffizienter ablaufen und sich die Energie im Abwasser besser nutzen lässt [3]. So könnte die Abwasserwirtschaft ihren Beitrag zur "2000-Watt-Gesellschaft" leisten, der Zielvorstellung des Bundesrates, den schweizerischen Verbrauch an Primärenergie von 6000 auf 2000 Watt pro Person zu senken. Auch bei der Düngerherstellung liesse sich Energie sparen, falls Stickstoff und Phosphor energieeffizient für die Landwirtschaft aufbereitet würden [4]. Wegen der immer schlechteren Qualität des künstlichen Phosphordüngers – die noch vorhandenen mineralischen Phosphorressourcen weisen einen hohen Schwermetallgehalt auf – lohnt sich das Recycling von relativ reinem Phosphor aus Urin [2]. Beim Stickstoff spielen vor allem Überlegungen zu Energie und Qualität des produzierten Düngers eine Rolle.

Da die NoMix-Technologie aus Sicht der Umwelt viele Vorteile aufweist, dominieren beim Entscheid für oder gegen NoMix die anthropogenen Aspekte: Wird die Technologie akzeptiert (Nova 1)? Und kann sie kostengünstig oder zumindest kostenneutral eingeführt werden? Noch lässt sich nicht vollständig abschätzen, wie hoch die Kosten der NoMix-Technologie sein werden. Berechnungen in [5] zeigen aber, dass in der Schweiz Investitionen von rund 1250–2100 CHF pro Haushalt in die NoMix-Technologie die heutigen Gesamtkosten nicht anheben würden. Dies bedingt jedoch einen gut geplanten Übergang der Systeme, denn die zusätzlichen Investitionen in die NoMix-Technologie müssten durch geringere Investitionen in Kläranlagen finanziert werden. Um diese Kosten einzuhalten, dürfen aber die gesamten Betriebskosten für beide Systeme nicht steigen.

Nova 7-2: Strukturierung des NoMix-Entscheidungsprozesses

(Mark Borsuk, Max Maurer, Judit Lienert, Tove A. Larsen)

Nova 7-2 ist primär ein methodisches Projekt, um verschiedene Optionen der NoMix-Technologie in einem spezifischen Szenario miteinander zu vergleichen [6]. Als Basis diente eine Entscheidungsanalyse unter Berücksichtigung unterschiedlichster Kriterien. Diese wurde auf die Überbauung Glattpark angewendet, die zurzeit im Norden von Zürich entsteht. Das Abwasser aus der Überbauung wird in der Kläranlage Kloten/Opfikon behandelt, die schon heute ihre Belastungsgrenze erreicht hat. Dies führte zur Hypothese, man könnte mit der NoMix-Technologie einen teuren Ausbau der Kläranlage vermeiden oder zumindest hinauszögern.

In einem ersten Schritt wurden die Ziele der fünf wichtigsten Akteure ermittelt. Anschliessend wurden verschiedene Optionen danach beurteilt, wie gut jede von ihnen die Ziele der verschiedenen Akteure erfüllt. Die wichtigsten Optionen: (A) NoMix-WCs nur in der Glattpark-Überbauung, um die Stickstoffbelastung der Kläranlage auszugleichen (Nova 3-1); (B) NoMix-WCs im ganzen Einzugsgebiet der Kläranlage mit separater Behandlung des Urins; (C) Ausbau der Kläranlage ohne Urinseparierung. Im letzten Schritt wurde für jeden Akteur eine Rangliste der Optionen erstellt, von der beliebtesten bis zur unbeliebtesten. Zusätzlich wurde mit einer Sensitivitätsanalyse die Bedeutung von unsicheren Annahmen für das Szenario untersucht.

Die Resultate zeigen: Es gibt keine einzelne Option, die für alle Akteure gleichermassen interessant ist. Die Gemeinde dürfte erhebliche Einsparungen erzielen, wenn Urin im ganzen Einzugsgebiet getrennt gesammelt und behandelt würde. Die Haushalte dagegen werden die NoMix-Technologie nur akzeptieren, falls ein sehr komfortables NoMix-WC zur Verfügung steht und die Gemeinde dessen höhere Kosten subventioniert. Ein genügend günstiges NoMix-WC lässt sich aber nur in Serienproduktion herstellen – und dafür ist die Planungszeit des Glattparks zu kurz. Die Sensitivitätsanalyse zeigt aber auch, dass wenn Umweltfragen ein stärkeres Gewicht erhalten, die NoMix-Option schnell auch zu einem höheren Preis interessant wird. So gibt es Hinweise, dass das neue Umweltproblem "Mikroverunreinigungen" die Prioritäten zu ihren Gunsten verschieben könnte.

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Potenzial in jedem Badezimmer: Lohnt es sich, in Zukunft Neubausiedlungen mit NoMix-Technologie auszurüsten? (Foto Andri Bryner)

Schlussfolgerungen

Die NoMix-Technologie ist attraktiv, weil sie das Potenzial hat, mit einem kleinen Eingriff energieeffizient zum Umweltschutz beizutragen. Sowohl global als auch in Europa bietet die NoMix-Technologie gegenüber der heutigen Situation Vorteile; insbesondere die Gewässer werden entlastet, weil die Nährstoffemissionen aus dem Abwasser stark begrenzt werden können. Bevorzugte erste Anwendungsgebiete wären Gegenden, wo ein hoher Bevölkerungsdruck zu einer starken Nährstoffüberlastung der Gewässer führt. Zudem kann die NoMix-Technologie dort zur sinnvollen lokalen Düngerquelle werden, wo es an Nährstoffen für die Landwirtschaft mangelt. Kombiniert mit einer konventionellen "End-of-Pipe"-Technologie mit Kanal und Kläranlage fürs restliche Abwasser kann das NoMix-Konzept durchaus auch in Europa wirtschaftlich konkurrenzfähig werden, stehen doch zum Beispiel jedem Schweizer Haushalt bis zu über 2000 CHF für Investitionen in die NoMix-Technologie zur Verfügung. Es ist jetzt die Aufgabe der Wissenschaft, in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft die entsprechende NoMix-Technologie zu diesem Preis zu entwickeln.

Literatur

  1. Larsen, T. A., I. Peters, A. Alder, R. Eggen, M. Maurer, J. Muncke (2001) Re-engineering the toilet for sustainable wastewater management. Environmental Science & Technology 35(9): 192A–197A.
  2. Larsen, T.A., M. Maurer, K.M. Udert, J. Lienert (submitted) Nutrient cycles and resource management: Implications for the choice of wastewater treatment technology. Accepted for presentation at IWA Advanced Sanitation Conference, Aachen, 12.–13.3.2007, submitted to Water Science and Technology.
  3. Wilsenach, J.A, M.C.M. van Loosdrecht (2006) Integration of processes to treat wastewater and source-separated urine. Journal of Environmental Engineering-ASCE 132(3): 331–341.
  4. Maurer, M., P. Schwegler, T. A. Larsen (2003) Nutrients in urine: energetic aspects of removal and recovery. Water Science and Technology 48(1): 37–46.
  5. Maurer, M., D. Rothenberger, T.A. Larsen (2005) Decentralised wastewater treatment technologies from a national perspective: at what cost are they competitive? Water Science and Technology: Water Supply 5(6): 145–154.
  6. Borsuk, M.E, J. Lienert, M. Maurer, Larsen, T.A. (in preparation) Using decision analysis to chart a path for innovative toilet technology. In preparation for Decision Analysis.

Weitere Publikationen