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Nova 5 – Mikroverunreinigungen

Nova 5 – Mikroverunreinigungen

Sind Mikroverunreinigungen im Urin problematisch?
Im Durchschnitt werden 60–70% aller eingenommenen Medikamente und Hormone im Urin ausgeschieden – mit grossen Unterschieden zwischen Einzelstoffen. Solche Mikroverunreinigungen sind jedoch unerwünscht in einem Dünger, der aus Urin hergestellt wird. Es gibt Aufbereitungsverfahren, mit denen sie sich entfernen lassen, wie Nachweise mit chemischer und ökotoxikologischer Analytik zeigten. Den Urin separat aufzubereiten, wäre vorteilhaft für den Gewässerschutz, liesse sich doch das ökotoxikologische Risikopotenzial von Pharmazeutika im Abwasser schätzungsweise halbieren.

  Text Nova 5 (pdf, 349 KB)

Wissenschaftlicher Hintergrund

Medikamente und Hormone lassen sich im Auslauf von Kläranlagen, in Oberflächengewässern und im Grundwasser nachweisen. Das bedeutet, dass sie in der Abwasserreinigung nur zum Teil entfernt werden. Dies kann problematisch sein. So beeinflussen etwa die biologisch äusserst wirksamen Hormone die Fortpflanzung von Fischen. Noch ist unklar, wie gravierend das Problem ist. Alleine angesichts der grossen Vielfalt an Stoffen – 2005 waren in der Schweiz 4727 Humanarzneimittel zugelassen – ist jedoch Vorsicht geboten.

Viele Stoffe, die der Mensch aufnimmt, werden im Körper umgewandelt (metabolisiert) und mit dem Urin oder den Fäkalien ausgeschieden. Ein Nachteil, wenn man einen Dünger aus Urin herstellt, sind doch auch in der Landwirtschaft Mikroverunreinigungen unerwünscht (Nova 6). Ein Ziel der Aufbereitungsverfahren in Nova 4 war daher, solche Stoffe zu entfernen. In Nova 5 wurden ökotoxikologische und chemisch-analytische Messmethoden entwickelt, um die Qualität des Urinproduktes zu kontrollieren. Urinseparierung würde sich vorteilhaft auf den Gewässerschutz auswirken, weil dadurch die Stoffe im Urin vom Abwasser ferngehalten würden.

Nova 5-1: Ökotoxikologische Tests zur Qualitätskontrolle von Urin

(Beate Escher, Rik Eggen, Nadine Bramaz)

In Nova 5-1 wurde eine Testbatterie entwickelt, um im Reagenzglas zu ermitteln, ob Pharmazeutika im Urin ein Umweltrisiko (ökotoxikologisches Risiko) darstellen [1, 2]. Die Testbatterie enthält unspezifische Tests, die auf allgemeine Zellschäden reagieren [3]. Darüber hinaus zeigt sie mit spezifischen Tests beispielsweise, ob die Probe Stoffe enthält, die wie Hormone wirken, die Erbsubstanz angreifen oder die Photosynthese von Pflanzen stören [4]. Solche Tests messen also nicht ein einzelnes Medikament und seine Umwandlungsprodukte (Metaboliten), sondern ermitteln die Gesamtbelastung. Um Störungen durch natürliche Inhaltsstoffe des Urins auszuschliessen (z.B. Salze, hoher pH), wurde eine Festphasenextraktionsmethode zur Vorbereitung der Proben entwickelt [1].

Die Testbatterie ermöglicht eine gute Qualitätskontrolle der Aufbereitungsverfahren bezüglich Entfernung von Mikroverunreinigungen (Nova 4). Der Bioreaktor, zum Beispiel, war nicht sehr effizient [5] – die Struvitfällung dagegen sehr: Die untersuchten Mikroverunreinigungen wurden praktisch vollständig entfernt. Die Nanofiltration entfernte 50–90% der toxischen Wirkung, die Ozonierung – abhängig von der Ozondosis – 55–99%. Das Fazit: Die Aufbereitungsverfahren wirkten sehr unterschiedlich, und die Resultate der verschiedenen Biotests wichen stark voneinander ab. Die getesteten Verfahren entfernen also unterschiedliche Stoffe unterschiedlich wirksam.

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Testbatterie: In der Hand der Algentest zur Anzeige von Störungen der Photosynthese, auf dem Tisch der YES-Test. Farbe bekennen: Rötliche Verfärbungen beim YES-Test verraten das Vorhandensein von Östrogenen wie die Antibabypille. (Fotos Yvonne Lehnhard)


 

Nova 5-2: Hormone im Urin mit chemischer Analytik messen

(Marc Suter, René Schönenberger)
Im EU-Projekt COMPREHEND wurden Analyseverfahren entwickelt, um europaweit hormonaktive Substanzen im Auslauf von Kläranlagen nachzuweisen [6]. In Nova 5-2 wurde eine dieser neuen chemisch-analytischen Methoden (liquid chromatography-mass spectrometry / mass spectrometry; LC-MS/MS) so angepasst, dass sich auch Hormone im Urin messen lassen: Dem Urin in den Reaktoren von Nova 4 wurde eine bekannte Menge des natürlichen weiblichen Hormons Östradiol und des synthetischen Ethinylöstradiols (Wirkstoff der Antibabypille) zugegeben [5]. Lassen sich diese Hormone wieder eliminieren? Die Elektrodialyse entfernte 98% der Östrogene. Allerdings blieb ein grosser Teil an den Membranen hängen; diese müssen also in einem separaten Schritt gereinigt werden. Der Bioreaktor baute das natürliche Östradiol nach 24 Stunden zu 89% ab, das synthetische Hormon der Pille aber nur zu 55%. Im Struvit liessen sich keine Hormone mehr nachweisen, und auch mit Ozonierung versiegte die östrogene Aktivität.   high-tech in the lab

Hightech im Labor: Der automatische Probenehmer für den HPLC (High Performance Liquid Chromatography) wird geladen (Foto Yvonne Lehnhard)

Nova 5-3: Pharmazeutika im Urin mit chemischer Analytik messen

(Alfredo Alder, Christa McArdell, Elvira Keller)

Das EU-Projekt Poseidon (http://poseidon.bafg.de/) untersuchte Technologien in Kläranlagen zur Entfernung von Pharmazeutika. In Nova 5-3 sollte die in Poseidon entwickelte chemische Analytik für Abwasser auf Urin übertragen werden. Vergleichsmessungen zeigten jedoch, dass die Methode dafür unbrauchbar war. Mit anderen Verfahren aus Nova 4-3 konnten dennoch Einzelsubstanzen gemessen werden [5].

Nova 5-4: Beitrag der Urinseparierung zum Gewässerschutz

(Judit Lienert, Beate Escher, Karin Güdel, Timur Bürki)

Nova 5-4 untersuchte, ob Urinseparierung zum Gewässerschutz beitragen kann, und wurde vom Bundesamt für Umwelt mitfinanziert (BAFU; www.bafu.admin.ch). Die Unterschiede zwischen 212 Wirkstoffen (das entspricht 1409 pharmazeutischen Produkten) waren riesig. So wurden zum Beispiel Röntgenkontrastmittel zu 90–100% mit dem Urin ausgeschieden, ein Krebsmedikament dagegen nur zu 6%, ein anderes wiederum zu 98%. Im Durchschnitt wurde 64% eines Stoffes mit dem Urin ausgeschieden. Ebenfalls im Durchschnitt wurde 42% eines Stoffes im Körper umgewandelt und in Form von Metaboliten ausgeschieden. Diese befanden sich dann in erster Linie im Urin [7].


big amounts of pharmaceuticals

Für Risiken und Neben-wirkungen fragen Sie Ihre Gewässerschutz-spezialisten: Ein grosser Teil der pharmazeutischen Wirkstoffe gelangt in unsere Seen und Flüsse (Foto Yvonne Lehnhard)

Eine Screening-Methode ermöglichte es, das Risikopotenzial von ausgeschiedenen Pharmazeutika für die Umwelt abzuschätzen. Sie basiert auf Literaturdaten, zum Beispiel zu den chemischen Eigenschaften des Wirkstoffes und seiner Umwandlung (Metabolisierung) im Körper, sowie auf der Verkaufsmenge von Medikamenten. Die Methode wurde anhand von Herzmedikamenten (Beta-Blocker) entwickelt. Bei ihnen deckte die Testbatterie von Nova 5-1 einen unerwarteten Effekt auf: Sie hemmen die Photosynthese von Algen [4]. Die Methode wurde dann auf das Vogelgrippemedikament Tamiflu angewendet, das im Körper zu 75% metabolisiert wird (nicht publizierte Daten). Das mit der Screening-Methode geschätzte ökotoxikologische Risikopotenzial von Tamiflu scheint klein zu sein.

In einem nächsten Schritt wurden 42 weitere Wirkstoffe untersucht [8]. Bei 34 von ihnen verringerte sich das toxische Potenzial durch die Metabolisierung im menschlichen Körper. Das ökotoxikologische Risikopotenzial der einzelnen Wirkstoffe, die nach der Metabolisierung ausgeschieden wurden, war eher klein. Es gab aber Ausnahmen: Insbesondere Ibuprofen, das in vielen Schmerzmitteln vorkommt, stellt ein relativ hohes Risiko für die Umwelt dar. Die Unterschiede des Wirkungsbereichs waren beträchtlich: Manche Wirkstoffe entfalteten ihr Risikopotenzial grösstenteils im Urin, andere dagegen in den Fäkalien. Die Screening-Methode hat Grenzen, wir schätzen jedoch aufgrund der uns bekannten wenigen Daten, dass das ökotoxikologische Risikopotenzial von Pharmazeutika in Urin und Fäkalien etwa gleich hoch ist.

Schlussfolgerungen

Die chemische und ökotoxikologische Analytik erbrachte den Nachweis, dass sich Pharmazeutika und Hormone im Urin mit Aufbereitungsverfahren aus Nova 4 entfernen lassen. Nicht alle Verfahren waren jedoch gleich effektiv [5]. Viele Pharmazeutika kommen nur in Spuren vor und lassen sich mit chemischer Analytik kaum messen. Chemische Methoden sind sinnvoll, um etwa Abbauvorgänge einzelner Stoffe zu charakterisieren. Ökotoxikologische Tests eignen sich gut, um die Gesamttoxizität natürlicher Urinproben zu schätzen [1, 2]. Dabei gilt es zu beachten, dass bereits die natürlichen Inhaltsstoffe des Urins in einigen Biotests Effekte auslösen [5].

Urinseparierung kann zum Schutz der Gewässer vor Mikroverunreinigungen beitragen. Doch selbst bei einer vollständigen Implementierung entledigt man sich mit ihr nicht aller Pharmazeutika und Hormone im Abwasser [7]. Basierend auf einer Schätzmethode und wenigen Daten gehen wir davon aus, dass Urinseparierung etwa die Hälfte des ökotoxikologischen Risikopotenzials eliminieren würde [8].

Literatur

  1. Escher, B.I., N. Bramaz, M. Maurer, M. Richter, D. Sutter, C. von Känel, M. Zschokke (2005) Screening test battery for pharmaceuticals in urine and wastewater. Environmental Toxicology and Chemistry 24(3): 750–758.
  2. Escher, B.I., N. Bramaz, R.I.L. Eggen, M. Richter (2005) In vitro assessment of modes of toxic action of pharmaceuticals in aquatic life. Environmental Science & Technology 39(9): 3090–3100.
  3. Escher, B.I, R.I.L. Eggen, U. Schreiber, Z. Schreiber, E. Vye, B. Wisner, R.P. Schwarzenbach (2002) Baseline toxicity (narcosis) of organic chemicals determined by in vitro membrane potential measurements in energy-transducing membranes. Environmental Science & Technology 36(9): 1971–1979.
  4. Escher, B.I., N. Bramaz, M. Richter, J. Lienert (2006) Comparative ecotoxicological hazard assessment of beta-blockers and their human metabolites using a mode-of-action-based test battery and a QSAR approach. Environmental Science & Technology 40(23): 7402–7408.
  5. Escher, B.I., W. Pronk, M. J.-F. Suter, M. Maurer (2006) Monitoring the removal efficiency of pharmaceuticals and hormones in different treatment processes of source-separated urine with bioassays. Environmental Science & Technology 40(16): 5095–5101.
  6. Eggen, R.I.L., B.-E. Bengtsson, C.T. Bowmer, A.A.M. Gerritsen, M. Gibert, K. Hylland, A.C. Johnson, P. Leonards, T. Nakari, L. Norrgren, J.P. Sumpter, M.J.-F. Suter, A. Svenson, A.D. Pickering (2003) Search for the evidence of endocrine disruption in the aquatic environment: Lessons to be learned from joint biological and chemical monitoring in the European Project COMPREHEND. Pure and Applied Chemistry 75(11–12): 2445–2450.
  7. Lienert, J., T. Bürki, B.I. Escher (submitted) Reducing micropollutants with source control: Substance flow analysis of 212 pharmaceuticals in feces and urine. Accepted for presentation at IWA Advanced Sanitation Conference, Aachen, 12.–13.3.2007, submitted to Water Science and Technology.
  8. Lienert J., K. Güdel, B.I. Escher (submitted) Screening method for ecotoxicological hazard assessment of 42 pharmaceuticals considering human metabolism and excretory routes. Submitted to Environmental Science & Technology.

Weitere Publikationen