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Nova 2 – Sanitärtechnologie

Nova 2 – Sanitärtechnologie

Funktioniert die Sanitärtechnologie?
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as NoMix-Prinzip ist einfach: Urin wird vom übrigen Abwasser getrennt gesammelt. Was aber so simpel klingt, hat in der Praxis noch einige Tücken – insbesondere bei der Sanitärtechnologie. So verstopft etwa Urinstein die Leitungen, und ein modernes NoMix-Design zu entwerfen und damit in Produktion zu gehen, ist teuer. Novaquatis stellte sich diesen Problemen auf verschiedene Arten: mit Forschung zu Ausfällungen, mit Rückmeldungen aus Pilotprojekten und mit einem runden Tisch, um die Interessen der beteiligten Akteure zu klären.

  Text Nova 2 (pdf, 343 KB)

Wissenschaftlicher Hintergrund

Die moderne wassergespülte NoMix-Toilette wurde in den 90er Jahren in Schweden erfunden. Ihr Prinzip ist einfach: Sitzt Mann oder Frau auf dem WC, wird der Urin vorne aufgefangen und in einen separaten Tank geleitet, während die Fäkalien ganz normal hinten weggespült werden. Es handelt sich also quasi um ein WC mit vorne eingebautem Urinal.

Doch das einfache Prinzip hat seine Tücken. Wie bei wasserlosen Urinalen entstehen mit der Zeit mineralische Ablagerungen – landläufig als Urinstein bekannt –, welche die Leitungen verstopfen können.

Dieses und andere sanitärtechnologische Probleme werfen einige Fragen auf: Wie vermeidet man die Verstopfung der Leitungen? Wie sitzt man auf dem NoMix-WC, damit es bequem und zweckmässig zugleich ist? Funktioniert die Trennung in der Praxis? Passt das WC in moderne Badezimmer oder wirkt es unzeitgemäss, altmodisch? Falls nötig, wie erhält man bessere NoMix-WCs?

Die neue WC-Technologie spielt beim ganzen NoMix-Konzept eine grosse Rolle. Viele Novaquatis-Arbeitspakete suchten Antworten auf obige Fragen: Nova 1 (wie gehen Benutzerinnen und Benutzer mit der Technologie um?), Nova 2-1 (wie kommt man zu Innovationen?), Nova 2-2 (wie entstehen Ausfällungen?), Nova 3 (gelingt die Trennung?), Nova PP (lassen sich mit herkömmlichen NoMix-WCs schon Pilotprojekte durchführen?).

Einige Schlussfolgerungen aus all diesen Projekten: Die existierenden NoMix-WCs sind zwar nicht optimal, es ist aber durchaus möglich, mit ihnen Pilotprojekte durchzuführen (Nova 1, Nova PP). Ungelöst bleibt das grosse Problem der Ausfällungen (Nova 2-2). Es gibt also gute Gründe, die NoMix-Toiletten weiterzuentwickeln (Nova 2-1).

Nova 2-1: Zusammenarbeit mit der Sanitärindustrie

(Tove A. Larsen, Judit Lienert, Bernhard Truffer)

Novaquatis beteiligte sich in den 1990er Jahren an der Entwicklung eines neuen NoMix-WCs durch die Firma Roediger (www.roevac.com), mit dem sich unverdünnter Urin sammeln lässt. Es wurde in Novaquatis-Pilotprojekten eingesetzt, und im Neubau der Eawag ist neben verschiedenen wasserlosen Urinalen nur noch das Roediger NoMix-WC installiert. Die Erfahrungen aus Novaquatis wurden der Herstellerfirma mitgeteilt und sollten nun als Grundlage für eine nächste Generation der Roediger NoMix-Toilette dienen, die noch besser funktioniert (siehe Beitrag "Praktische Hinweise").

Pilotprojekte lassen sich mit der heutigen Sanitärtechnologie, zum Beispiel am Arbeitsplatz, gut durchführen – in privaten Haushalten dagegen sind sie noch problematisch (siehe Nova PP). Das Konzept kann aber nur mit grossen Pilot- und Demonstrationsprojekten Marktreife erlangen. An einem runden Tisch diskutierten wir mit Vertretern der Sanitär- und Abwasserindustrie in vier Workshops die Voraussetzungen für die Markteinführung einer optimalen NoMix-Toilette. Dabei stellte sich heraus: Für die Firmen ist es unerlässlich, dass die Einstiegsmärkte klar charakterisiert sind. Diese müssen zudem eine angemessene Grösse aufweisen, damit sich eine Serienfertigung überhaupt lohnt. Grosse Märkte sind dort vorhanden, wo auch grosse Probleme herrschen. Nebst den schnell wachsenden Städten in Schwellenländern (Nova 8) kommen auch wasserarme Gebiete wie Australien oder China in Frage. Der Weg der "kleinen Schritte" in Schweizer Übergangsszenarien (Nova 3) dagegen ist für die Industriepartner kaum interessant, weil der Markt als zu klein eingeschätzt wird. Ausserdem erschweren die vielen involvierten Parteien den Entwicklungsprozess. Wie schon früher vermutet [1], ist es von grosser Bedeutung, dass Abwasserfachleute sich viel stärker für die NoMix-Technologie zu interessieren beginnen, damit die Firmen grössere Investitionen wagen. Grundsätzlich ist die Sanitärindustrie interessiert und beurteilt die Aufgabe als lösbar. Allerdings sind alle Lösungen mit Mehrkosten verbunden. Und weil diese im Haushalt entstehen, die Einsparungen dagegen in der Gemeinde, müssten die Kosten durch ein geschicktes Finanzierungsmodell umgelagert werden.


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Blick in das WC der Zukunft (Foto Yvonne Lehnhard)


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Wenn Menschen Duftmarken setzen: Der Geruch in Urinalen lässt sich etwa mit einem Duftstein, der Ammoniak neutralisiert, minimieren (Foto Ruedi Keller)

Nova 2-2: Ausfällungen

(Kai Udert, Tove A. Larsen, Willi Gujer)

Nova 2-2 besteht aus einer Dissertation, die Ausfällungen in Toiletten, wasserlosen und konventionellen Urinalen mit Feldmessungen, Laborexperimenten und Computersimulationen näher untersuchte [2  6]. Die Fällungsprodukte sammeln sich in Leitungen und Siphons an und können bereits nach wenigen tausend Benutzungen zu Verstopfungen führen.

Wenn Harnstoff aus Urin durch Bakterien abgebaut wird, steigt der pH-Wert stark, bis auf über 9. Weil sich die Puffersysteme verschieben, wird das Löslichkeitsprodukt verschiedener schwerlöslicher Salze überschritten. Die Folge: sie kristallisieren aus. Dies gilt vor allem für Struvit (Magnesium Ammonium Phosphat, MAP) und verschiedene Kalziumphosphate.

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Stein des Anstosses: Der berüchtigte Urinstein verstopft die Leitungen (Foto Kai Udert)

Bakterien, die Harnstoff abbauen, wachsen vor allem in den Leitungen und werden in den Sammeltank gespült. Schon nach wenigen Tagen ist der Harnstoff vollständig abgebaut. Im unverdünnten Urin genügt sogar bereits ein Abbau von nur 8% des Harnstoffs, damit der pH-Wert fast aufs Maximum ansteigt und in der Folge 95% der maximal möglichen Ausfällungen stattfinden.

Auf Grund der anfänglich guten Erfahrungen mit den wasserlosen Urinalen glaubte man lange, im unverdünnten Urin würden keine Salze auskristallisieren. Felduntersuchungen zeigten aber das Gegenteil, nämlich dass Verstopfungen vor allem dann auftreten, wenn der Urin nur wenig oder gar nicht verdünnt ist. Mit Computersimulationen wurde berechnet, dass aus verdünntem Urin weniger Salze pro Volumen ausfällen als aus unverdünntem. Am wenigsten Ausfällungen entstehen bei der Spülung mit Regenwasser, weil dabei weder Kalzium noch Magnesium zugeführt wird. Die Menge der Fällungsprodukte ist einer der wichtigsten aber nicht der einzige Faktor, der Verstopfungen begünstigt. Ebenfalls kritisch sind enge Querschnitte und wenn sich der Urin lange in Leitungen und Siphons befindet.

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Lange Leitung: Unverdünnter Urin fliesst langsam und führt in schwach geneigten, schmalen Röhren zu Verstopfungen (Foto Ruedi Keller)

Schlussfolgerungen

Die kombinierten Resultate aus Nova 2 geben einige Hinweise, was unternommen werden könnte, um ein besseres NoMix-WC auf den Markt zu bringen, und welche Rahmenbedingungen sich ändern müssten. Urin zu verdünnen, verringert zwar die Probleme mit Verstopfungen, führt aber zu grösseren Urintanks. Zudem erschwert es die Aufbereitung des Urins. Eine bessere Lösung ist deshalb möglicherweise, die unvermeidlichen Ausfällungen im unverdünnten Urin gezielt zu fördern – in einer austauschbaren Einheit im WC. Bereits heute setzt die Industrie dieses Prinzip in einigen wasserlosen Urinalen ein. Bei den heutigen NoMix-WCs dagegen gilt es, die Probleme pragmatisch zu lösen oder zum Beispiel durch eine Regenwasserspülung zu verringern (siehe Beitrag "Praktische Hinweise").

Die Sanitärindustrie ist grundsätzlich daran interessiert, gute NoMix-WCs auf den Markt zu bringen, und ist auch überzeugt, diese Aufgabe lösen zu können. Allerdings sind sie teurer als herkömmliche Toiletten. Die Abwasserfachleute wiederum müssen noch aufzeigen, wo grössere Märkte existieren, damit sich für die Industrie ein Einstieg und die aufwändige Entwicklungsarbeit lohnen (siehe auch Nova 7).

Literatur

  1. Larsen, T.A., J. Lienert (2003) Societal Implications of re-engineering the toilet. Water Intelligence Online March 2003. UNIQUE ID: 200303006.  www.iwaponline.com/wio/2003/03/default001.htm
  2. Udert, K.M., T.A. Larsen, W. Gujer (2003) Biologically induced precipitation in urine-collecting systems. Water Science and Technology: Water Supply 3(3): 71–78.
  3. Udert, K.M., T.A. Larsen, M. Biebow, W. Gujer (2003) Urea hydrolysis and precipitation dynamics in a urine-collecting system. Water Research 37(11): 2571–2582.
  4. Udert, K.M., T.A. Larsen, W. Gujer (2003) Estimating the precipitation potential in urine-collecting systems. Water Research 37(11): 2667–2677.
  5. Udert, K.M., R. Högger, T.A. Larsen, W. Gujer (2004) Urinausfällungen in Urinalen und NoMix-Toiletten. Installateur 11-2004: 46–48. Vereinigung Schweizerischer Sanitär- und Heizungsfachleute, VSSH, www.vssh.ch.
  6. Udert, K.M., R. Högger, T.A. Larsen, W. Gujer (2004) Fällungsprodukte in Urinalen und NoMix-Toiletten. gwa (Gas Wasser Abwasser) 12/2004: 913–920.

Weitere Publikationen